Davor Ljubičić  

Davor Ljubičić
 
Zwischenschläge
 
Systeme korrumpieren sich beim Aufeinandertreffen. Im Messen ihrer Kräfte durchkreuzen sich ihre Beziehungsgefüge. Ein System beugt sich unter dem Druck des anderen oder es weicht dem dynamischen Ansturm aus und bricht an anderer Stelle ab, während ein anderes sich nachgiebig und flexibel zeigt, sich etappenweise durchsetzt und die anderen Systeme verdrängt, die Ordnungen verwirrt und die Relationen verschiebt.
 
In der Aktualisierung des Formfindungsprozesses ereignen sich Interferenzen. Sie sind die zentralen Phänomene der großformatigen Werke von Davor Ljubičić.
Der Künstler lässt unterschiedlichen Zeichensystemen freien Lauf und inszeniert dabei in spannungsreichen Konstellationen den Moment ihres Zusammenpralls.
Scheinbar regelhafte, einfache und stabil wirkende Ordnungsmuster aus parallelen Linien oder Gitterstrukturen treffen auf klar definierte Röhrensysteme. Filigrane Zeichengespinste stoßen auf das dicht gefügte Formenvokabular der Graphitmalerei. Sie reagieren und interagieren mit ihren je eigenen Gesetzlichkeiten und Qualitäten auf- und miteinander. So verkeilen sie sich und verschlingen sich zu wilden Knäueln, undurchdringbaren Ballungszentren, lagern sich an den Rändern von Flächen an oder türmen sich zu Blockaden auf. Charakterstische Merkmalfelder kristallisieren sich wie eine Art Filtersystem durch das Überlagernde hindurch heraus. Die modifizierten Formen verselbständigen sich wieder, werden als Auslagerungen zu Sequenzen eines neuen Systemansatzes oder bilden Subsysteme aus. Manchmal laufen abgebrochene Zeichenketten in neuem Rhythmus weiter oder setzen an anderer Stelle mit vertauschten Ebenen und verkehrten Formen neu ein. Ein strukturell neuer Verbund entsteht aus den Zwischenformen und Hybriden.
 
Das neu Organisierte bildet eine funktionale Einheit, in der die immanente Logik der unterschiedlichen Systeme bewahrt bleibt und subversiv weitergeführt wird. Diese strukturalistische Vorgehensweise lässt sowohl tiefliegend als auch oberflächlich neue Formentypologien entstehen. Sie nehmen den Raum zwischen der Selbstbezüglichkeit und der wechselseitigen Abhängigkeit der Systeme ein. Als Ausformungen malerischer und zeichnerischer Prozesse begründen sie ein grundlegendes Darstellungsprinzip: "Zwischenschlag" - der Raum zwischen zwei Zeichen, zwischen zwei Rhythmen, zwischen zwei Formen.
 
 
(Helga Sandl, Kunsthistorikerin)

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